WIRKSAM zuhören statt nur hören
Was bei einem guten Gespräch wirklich zählt
Jeder weiß es: Ein Gespräch besteht aus Sprechen und Zuhören. Das ist wie beim Geben und Nehmen. Als Einbahnstraße funktioniert es nicht. Wer nur redet, kann auch einen Monolog vor dem Spiegel halten. Wer nur hört, statt zuzuhören, erfährt allenfalls die Hälfte. Was aber heißt echtes Zuhören genau? Eine Hilfestellung dabei bietet das Akronym WIRKSAM.
Sicher wollen auch Sie wirksam zuhören. Alles andere wäre ja Zeitverschwendung. Sie wollen also, dass das Gespräch eine Wirkung hat. Im Job heißt das etwa: Es bringt die Beteiligten der Lösung eines Problems näher. Oder es sorgt für eine Verbesserung der Zusammenarbeit. Oder es klärt, wie bei einem Projekt vorgegangen werden soll. Gute Gespräche sind etwas ganz anderes als Top-down-Befehle. Sie erzeugen Entwicklung, sie sind ein Prozess. Und sie sind überaus spannend, weil Sie dabei Neues erfahren, Ihre Perspektive weiten können.
Doch zurück zu unserem Akronym. WIRKSAM steht für:
W-ertschätzend
I-nteressiert
R-eaktiv
K-onzentriert
S-uspendierend
A-kzeptierend
M-itfühlend
Was das im Einzelnen bedeutet, das wollen wir uns nun näher anschauen – und auch, wie Sie herausfinden, wie es bei Ihrem Zuhörverhalten um die sieben Aspekte steht. Tipp: Achten Sie bei Ihren nächsten Gesprächen einmal ganz bewusst auf jeweils einen der Faktoren. Sowohl bei sich selbst als auch bei Ihrem Gegenüber. So können Sie sich Schritt für Schritt Ihre Fähigkeiten als Zuhörer bewusst machen – und sie verbessern. Und am Ende werden sie tatsächlich WIRKSAM zuhören, nämlich:
W-ertschätzend: Sie begegnen dem anderen mit Respekt und mit Wohlwollen. Sie wenden sich ihm zu, schätzen seine Erfahrungen, Ansichten und Kenntnisse. Das geht weit übers bloße Tolerieren hinaus, denn: Sie nehmen das andere nicht nur hin, Sie halten es für genauso wertvoll wie Ihre eigenen Erfahrungen, Ansichten und Kenntnisse.
I-nteressiert: Sie zeigen eine konstruktive und positive Neugierde. Der andere, seine Situation, was ihn herausfordert, was er erlebt hat, all das interessiert Sie. Und zwar nicht, weil Sie ihn belehren wollen oder um sich darüber zu amüsieren oder aus sonstigen Ich-bezogenen Motiven. Nein, Sie wollen ihn oder sie näher kennenlernen.
R-eaktiv: Sie zwingen den anderen nicht zu erzählen. Sie reagieren lediglich auf seinen Gesprächswunsch. Damit lassen Sie Ihrem Gegenüber die Wahl, ob, wann und was er Ihnen sagen möchte. Zudem reagieren Sie auf den Inhalt, die Emotionen und den Kontext. Sie schwingen mit, statt nur dabei zu sein.
K-onzentriert: Sie hören wir konzentriert zu, was eine Selbstverständlichkeit sein sollte, es aber leider nicht ist. Idealerweise ist das Handy auf Flugmodus oder in einem anderen Zimmer, aber Sie haben auch Ihre Gedanken im Griff. Die schweifen nicht ab zum nächsten Telefonat, sondern sind hundertprozentig bei Ihrem Gegenüber und dessen Thema.
S-uspendierend: ein Begriff aus der Dialogtechnik, der Ihnen vielleicht neu ist. Sie nehmen alle Ihre Gedanken und Gefühle zur Kenntnis, die während des Gesprächs auftauchen, aber Sie handeln nicht zwangsläufig danach. Letztlich machen Sie sich damit bewusst, dass Ihre Annahmen und Bewertungen nur Konstrukte sind. Sie „hängen“ diese sozusagen vor sich auf, halten sie in der Schwebe. All das gewinnt keine Dominanz, sondern Sie lassen sich weiter auf das ein, was Ihr Gesprächspartner sagt.
A-kzeptierend: Sie nehmen Information auf, ohne zu bewerten oder gar zu verurteilen. Klingt einfacher, als es ist, denn konsequent umgesetzt bedeutet es: Sie haben keine Meinung zum Gehörten und zu Sprecher, weder zum Inhalt noch zum Verhalten, der Körpersprache oder zur Person. Alles, was Sie tun, ist zu beobachten. Sie nehmen lediglich wahr, was den Raum dafür schafft, weiter zuzuhören. Sie sind jederzeit bereit, weitere Beobachtungen zu machen. Weil Sie keine Wertung abgeben, identifizieren Sie sich mit nichts. Das schafft Distanz zu Ihren eigenen Erfahrungen, Ihrem eigenen Wissen etc. – und macht Sie aufnahmefähig für das Fremde.
M-itfühlend: Sie stellen eine tiefe und sinnvolle Verbindung mit Ihrem Gesprächspartner her. So können Sie seine Emotionen und Perspektiven verstehen und anzukennen. Mitgefühl bedeutet, sich in den anderen Menschen hineinzuversetzen und mit ihm mitzufühlen, dabei aber nicht in das destruktive Mitleid zu verfallen.
Hören Sie WIRKSAM zu?
Nun überlegen Sie vielleicht, wie es denn um die Wirksamkeit Ihres Zuhörens bestellt ist. Beantworten Sie sich dafür einmal – möglichst direkt nach einem konkreten Gespräch – folgende Fragen:
W-ertschätzend:
Fühlte ich mich beim Zuhören gleichwertig?
Vermied ich es, vor dem Zuhören oder während des Zuhörens bereits erste Urteile zur Person oder zum Inhalt zu entwickeln?
I-interessiert:
Konnte ich konstruktive Neugierde und Interesse am Thema und der Person entwickeln?
Habe ich darauf geachtet, nicht nur selektiv zuzuhören, also nicht nur auf das zu achten, was mich interessiert?
R-eaktiv:
Wurde ich als Zuhörer beigezogen und habe mich als dieser nicht aufgedrängt?
Habe ich auf die Aussagen und Inhalte in passender Art und Weise reagiert? (Mein Mitschwingen war durch angemessene verbale und nonverbale Reaktion zu erkennen.)
K-onzentriert.
Konnte ich den Ausführungen ohne Ablenkungen, folgen?
Habe ich durch Nachfragen um Konkretisierungen gebeten?
S-uspendierend:
Konnte ich meine Sichtweise, Meinung und Perspektive in der Schwebe halten?
Haben meine Sichtweise, Meinung und Perspektive mein wertfreies Zuhören nicht beeinträchtigt?
A-kzeptierend:
Konnte ich von Beginn bis zum Ende wertfrei zuhören?
Konnte ich die Rolle des Beobachters, also des Wahrnehmenden, der nicht einordnet, einnehmen?
M-itfühlend:
Konnte ich die Emotionen und Stimmungen meines Gegenübers erkennen?
Konnte ich Mitleid vermeiden und blieb ich dabei konstruktiv mitfühlend?
Je öfter Sie mit „Ja“ geantwortet haben, desto näher sind Sie am WIRKSAMEN Zuhören!