Es fängt bei der Haltung an …
Gutes Zuhören hat viele Dimensionen
„Du hast mir mal wieder gar nicht zugehört!“ – Wohl jeder von uns bekommt ab und zu einen Satz wie diesen an den Kopf geworfen. Muss das sein? NEIN! Wir alle können an uns arbeiten, um zu besseren Zuhörerinnen und Zuhörern zu werden. Und das sollten wir tun, denn: Gutes Zuhören ist unverzichtbar. Es macht erfolgreicher und zufriedener.
Warum ist das so? Warum sollten wir einander effektiver zuhören? Weil Teams sonst lediglich Ansammlungen von Menschen sind. Weil komplexe Aufgaben echte Kooperation nötig machen. Weil wir einander nur zuhörend kennenlernen. Zuhören ist ebenso wie Sprechen eine Basis-Kompetenz für jeden, der kommunizieren will. Allerdings ist ein Zuhör-Training noch längst nicht so selbstverständlich wie ein Rhetorik-Kurs.
Vermutlich denken viele: Zuhören kann doch jeder. Dazu muss er nur Ohren haben und die Sprache seines Gegenübers sprechen. Aber es ist keineswegs jeder zu einer mitreißenden Rede in der Lage, nur weil er einen Kehlkopf, Stimmbänder etc. besitzt und Deutsch-Unterricht genossen hat. Was ich damit sagen will: Exzellent zu sprechen, ist eine Kunst. Und genau dasselbe gilt fürs andere „Ende der Leitung“, fürs Zuhören!
Haltung, Technik, Codierung
Sie merken schon: Die Sache ist diffiziler, als Sie vielleicht dachten. Ich habe deshalb ein Modell für effektives Zuhören entwickelt und HaTeCo getauft. Ha für Haltung, Te für Technik und Co für Codierung. Schauen wir uns diese drei Komponenten etwas näher an. Das nämlich wird Ihnen einen völlig neuen Zugang zum Thema Zuhören eröffnen. Sie werden entdecken, dass sich Zuhören genauso lernen lässt wie das Schreiben eines fesselnden Textes oder eben rhetorisch brillantes Reden.
Alles beginnt mit der richtigen Haltung. Nur wenn Sie Ihrem Gesprächspartner gegenüber offen sind, wenn Sie nicht werten, wenn Sie wirklich etwas von ihm erfahren wollen, können Sie gut zuhören. Im HaTeCo-Modell hat die Haltung sieben Säulen:
- Akzeptanz
- Achtsamkeit
- Aufmerksamkeit
- Augenhöhe
- Mitgefühl
- Kontrolle des Sprechimpulses
- Entdeckergeist
Sie müssen auch das akzeptieren, was Ihrer eigenen Meinung zuwiderläuft. Sie müssen achtsam und aufmerksam aufnehmen, was der andere sagt. Sie müssen sich auf Augenhöhe mit ihm oder ihr befinden, also weder sich selbst noch andere abwerten. Dazu kommen Mitgefühl, kein Unterbrechen des Sprechers und die Lust daran, Neues zu entdecken. Klingt simpel, ist es aber nicht. Menschen neigen nun einmal dazu, sofort zu urteilen, den anderen nicht ausreden zu lassen etc.
Ändern Sie das, indem Sie sich ganz bewusst mit Ihrer Zuhör-Haltung auseinandersetzen. Erinnern Sie sich an das Kinderbuch „Momo“? Darin geht es um ein kleines Mädchen, das auf eine wunderbare Weise zuhört. So suchen alle Menschen ihre Nähe – und lernen von ihr. Nicht, weil sie unheimlich klug ist und ultimative Ratschläge gibt. Nein, ganz im Gegenteil: Sie bringt durch ihr achtsames Zuhören jeden dazu, sein Problem selbst zu lösen.
Dialog fördern statt verhindern
Apropos Ratschläge: Die gehören zu den sogenannten Verhinderern von Dialogen. Ihre Botschaft lautet „Ich weiß, was du brauchst“ – und die erzeugt automatisch Widerstand. Und damit sind wir bei der Zuhörtechnik gelandet. Deren negative Seite komplettieren weitere Verhinderer wie Interpretationen, Wertungen, Drohungen, Bagatellisierung und vieles mehr. Allen gemeinsam ist die Steuerung des Dialogs durch den Zuhörer. Er übernimmt das Ruder, bestimmt die Richtung. Der Sprecher hat nichts oder nicht mehr viel zu melden.
Völlig anders wirken Techniken, die ich als Förderer bezeichne. Dazu zählen Statements, konkretisierende oder weiterführende Fragen oder auch die paraphrasierende Zusammenfassung des Gehörten. Wenn Sie sich dieser Förderer bedienen, werden Sie eine vielleicht erstaunliche Erfahrung machen: Sie werfen mehr als nur einen oberflächlichen Blick in die Gedanken- und Gefühlswelt Ihres Gesprächspartners. Auf der privaten Ebene können so Freundschaften entstehen oder Sie gewinnen einfach „nur“ neue Perspektiven. Im Job kommt es zu Erkenntnissen, die am Ende alle weiterbringen.
Vier Seiten einer Nachricht
Bleibt der dritte Teil des HaTeCo-Modells: die Codierung. Dazu ein Beispiel: Sie kommen am Abend nach Hause und Ihr Partner begrüßt Sie mit dem Satz „Die Wäsche ist noch in der Maschine.“ Wie verstehen Sie diesen Satz und wie ist er wirklich gemeint? Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, nämlich die vier Seiten einer Nachricht:
- Sachseite: Die Waschmaschine ist noch nicht ausgeleert.
- Selbstoffenbarung: Ihr Partner teilt mit, dass er die Maschine noch nicht geleert hat.
- Beziehung: Ihr Partner wünscht sich, dass Sie die Wäsche herausnehmen.
- Appell: Sie werden indirekt aufgefordert, die Wäsche aufzuhängen oder in den Trockner zu geben.
Logisch, dass Kommunikation nur funktioniert, wenn der eine das hört, was der andere sagen will. Aufgabe eines guten Zuhörers ist deshalb das das Decodieren, also das Entschlüsseln der Botschaften des Sprechers. Schlägt das Decodieren fehl, erzeugt das Missverständnis und Konflikte. Im Zweifelsfall also am besten nachfragen: „Möchtest du, dass ich die Wäsche aufhänge?“
Drei TIPPS für den Weg zum besseren Zuhörer:
👉 Haltung: Begegnen Sie jedem Gesprächspartner mit Offenheit und dem festen Vorsatz, mehr von ihm zu erfahren!
👉 Technik: Nutzen Sie bewusst Dialog-Förderer wie weiterführende Fragen!
👉 Codierung: Achten Sie darauf, dass jede Nachricht unterschiedliche Ebenen hat!