
Interpretation
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Die große Gefahr für Klarheit, Verständnis und
Beziehungsbildung
„Viel Leid und viel Unglück entstehen, wenn Du jeden Gedanken, der Dir durch den Kopf geht, für die
Wahrheit hältst. Situationen machen nicht unglücklich. Sie mögen physische Schmerzen verursachen,
aber sie machen nicht unglücklich. Deine Gedanken machen Dich unglücklich. Deine Interpretation,
die Geschichten, die Du selbst dazu erfindest, machen Dich unglücklich.“ (Eckhart Tolle)
Einleitung
Interpretation (lateinisch interpretatio „Auslegung, Übersetzung, Erklärung“) bedeutet im
allgemeinen Sinne das Verstehen oder die subjektiv als plausibel angesehene Deutung von etwas
Gegebenem oder wenigstens von etwas Vorhandenem. Das kann z. B. eine Aussage, ein Kunstwerk
oder eine soziale Situation, aber auch etwas schlicht in der Natur vorgefundenes sein. (Wikipedia)
Beispiele für Interpretationen
Helena: „Ich gehe sicher nicht mehr zu den Besprechungen”
Marcel: “Du hast sicher Angst, dass der Chef wieder herumschreit und Du Dich nicht sinnvoll
verteidigen kannst. Offensichtlich bist Du dem Stress aktuell nicht gewachsen.”
Stefan: “Ich fühle mich heute sehr schlecht”
Zlatko: “Du hast sicher ein schlechtes Gefühl wegen der Schularbeit. Du hast Dich wohl wieder nicht
ausreichend vorbereitet und scheinbar kommt nun die Nervosität und das Bauchweh”
Werner: “Der Termin war für mich sehr anstrengend”
Andreas: “Du warst sicher wieder viel zu nervös. Ich glaube, dass du erneut nicht auf die Themen und
Fragen des Kunden eingegangen bist und womöglich wieder zu viel gesprochen hast”
Karl: “In letzter Zeit frage ich mich immer, warum ich mir das alles antue.”
Maria: “Das sind die ersten Anzeichen von Depressionen. Womöglich bist du sogar schon mittendrin.
Ich kann mir vorstellen, dass du keinen Antrieb mehr hast”.
Wie kommen Interpretationen an?
Wie Sie aus den Beispielen entnehmen können, entspringen diese Aussagen der EmpfängerIn nicht
dem Wissen, sondern dem eigenen Glauben.
Es zeigt sich auch eine Haltung aus der Grundposition “Ich bin OK – Du bist nicht OK”, da die
ZuhörerIn zu glauben meint, was hinter dem Problem der SenderIn zu stehen scheint, besser als die
SenderIn selbst. Interpretationen stellen somit auch oft eine Form der Überheblichkeit oder der
Übersicherheit dar. Sie heißen übersetzt “Ich weiß, was Du brauchst, was Dir fehlt und Dir guttut, den
Du weißt es scheinbar nicht”.
Diese Haltung und als Folge diese Aussagen erzeugen beim Gesprächspartner oft Widerstand,
Rechtfertigung, das Gefühl von Abwertung. Auf dieser Basis wird ein Gespräch schwieriger verlaufen,
da der Erzähler sich nun auf Korrekturen und Rechtfertigungen konzentrieren muss und sein Problem
keine Beleuchtung mehr findet.
Einladung zur Interpretation
Es ist illusorisch, Interpretationen komplett aus Dialogen verbannen zu wollen, dies wird nicht
funktionieren. Eben dann ist besser, gemeinsam zu interpretieren. Wer um Erlaubnis fragt: “Darf ich
da mal interpretieren” und dann ein ja bekommt, der öffnet eine ganze andere Ebene des Gesprächs.
ZuhörerInnen zeigen mehr Beteiligung an einer etwaigen Lösungsfindung, sind aber nicht direktiv, da
wir uns Raum und Zeit für Interpretationen erfragen. Dies erzeugt beim Sender auch keinen
Widerstand. Es ist dann auch wesentlich einfacher Interpretationen zurückzuweisen, die null
Grundlage haben und für die Lösung keinen Beitrag leisten.
Meine Empfehlung lautet, auf die Interpretationen, die entgegengebracht werden und vor allem
auch auf die eigenen Aussagen in der Zuhörerrolle zu achten.
Sie werden sehr schnell erkenne, dass Gespräche eine andere Richtung nehmen, wenn wir auf
Interpretationen verzichten oder um Einladung fragen.
Die Podcastfolge behandelt das Thema Interpretationen