Auf die Haltung kommt es an
Beim Zuhören auf die innere Einstellung achten
Gehen Sie zu einem Vorstellungsgespräch und wollen den Job nicht wirklich, werden Sie wenig überzeugend rüberkommen. Entscheidet sich jemand für ein Paarcoaching mit seinem Partner, muss er den Vorsatz haben, die Beziehung zu retten. Bei tagtäglichen Dialogen aber lassen wir oft die richtige innere Einstellung vermissen. Was richtig ist? Als Zuhörerin oder Zuhörer dem anderen mit einer offenen und konstruktiven Haltung zu begegnen.
Zugegeben, das klingt ein wenig theoretisch und vor allem zu wenig konkret. Im Zuhörmodell HaTeCo – Haltung, Technik, Codierung – habe ich deshalb die einzelnen Komponenten näher beschrieben. Das ist ein bisschen wie das Lernen von Vokabeln, aber ich verspreche Ihnen: Es macht mehr Spaß und Sie werden sehr schnell Erfolge sehen. Sie werden viel mehr von Ihrem Gesprächspartner erfahren, die Beziehung zu ihm wird sich vertiefen, Sie lernen selbst dazu, Sie finden gemeinsam Lösungen. Und das sind keine haltlosen Versprechungen – es ist vielmehr die Erfahrung aus zahlreichen Zuhör-Coachings.
Schauen wir uns also einmal das Thema Haltung genauer an. Sie ist die innere Grundeinstellung, welche Denken und Handeln bestimmt. Jemand kann zum Beispiel eine konservative oder eine progressive, eine religiöse oder eine atheistische Haltung haben. Je nach der eigenen Haltung werden Informationen anders eingeordnet und bewertet. Die Grundeinstellung ist mehr oder weniger fix, was etwa der Ausdruck „Haltung zeigen“ widerspiegelt. Wer das tut, der steht offenbar zu seinen Grundsätzen, der lässt sich nicht von Gegenwind beeinflussen.
In puncto wirksames Zuhören geht es allerdings gerade nicht um solche Beurteilungen und nicht um das Stecken in Schubladen. Die Haltung beim Zuhören ist etwas Fluides, man entscheidet sich in jeder Situation neu dafür. Im Einzelnen sind drei Aspekte relevant:
- die Haltung zu mir selbst als Zuhörer
- die Haltung zu meinem Gesprächspartner
- die Haltung zum Thema des Gesprächs
Zudem können und sollten wir uns genauer anschauen, welche Dimensionen Haltung jeweils hat. Im HaTeCo-Konzept habe ich sieben Säulen ausgemacht, die jede für sich stehen und die miteinander wechselwirken:
Säule 1: Akzeptanz
Säule 2: Achtsamkeit
Säule 3: Aufmerksamkeit
Säule 4: Augenhöhe
Säule 5: Mitgefühl
Säule 6: Kontrolle des Sprechimpulses
Säule 7: Entdeckergeist / konstruktive Neugierde
Akzeptanz oder: Weg mit den Vorbehalten!
Die erste und eine besonders wichtige Säule ist Akzeptanz. Damit ist nicht gemeint, Dinge hinzunehmen, weil es gerade nicht anders geht oder zu gehen scheint. Ein Satz wie „Ja, ich akzeptiere es“ klingt ja oft eher nach einem widerwilligen Sich-Abfinden denn nach Begeisterung. Akzeptierend zuzuhören, bedeutet dagegen, wertfrei, ohne Vorurteile und offen zu sein. Alles, was vom Gesprächspartner kommt, wird als das genommen, was es genau genommen ist: eine Bereicherung für die eigene Sicht der Welt oder – etwas kleiner – für die eigene Sicht auf ein bestimmtes Thema.
Akzeptanz heißt: Weg mit den Vorbehalten! Das ist weniger leicht, als Sie vielleicht im ersten Moment denken. Mit ein wenig Übung gelingt es jedoch besser und besser. Versuchen Sie bewusst, das selektive Hören abzustellen, und nehmen Sie nicht gedanklich vorweg, was der andere Ihrer Meinung nach sagen wird. Glauben Sie nicht, die letzte Seite „des Buches“ schon zu kennen. Seien Sie vielmehr „Seite für Seite“ gespannt. Begeben Sie sich auf eine Reise oder präziser: Lassen Sie sich von Ihrem Gesprächspartner mitnehmen auf die Reise, die er mit Ihnen machen möchte.
Hören Sie zu, ohne schon parallel Entgegnungen zu
formulieren oder Handlungen zu überlegen. Konzentrieren Sie sich voll und ganz aufs Verstehen. Alles andere folgt später. Wenn Ihnen das gegen den Strich geht, beantworten Sie sich die Frage, wie Sie sich selbst Ihre Zuhörerin, Ihren Zuhörer wünschen. Sicher möchten Sie, dass die oder der andere Ihre Emotionen, Ihre Argumente, Ihre Erfahrungen aufnimmt, ohne unmittelbar seine Gefühle, seine Einwände, seine Erlebnisse ins Spiel zu bringen. Was Sie sich wünschen, ist: Akzeptanz!
Führen Sie ein Akzeptanztagebuch
Ein Tipp: Wenn Sie sich bei der Selbstreflexion in Sachen akzeptierendes Zuhören unterstützen wollen, führen Sie ein Akzeptanztagebuch. Tragen Sie darin nach jedem längeren Gespräch Ihre Reaktionen ein – egal ob es um Dialoge mit Freunden oder dem Partner geht oder um solche mit einer Kollegin, mit einem Kunden, mit dem neuen Mitarbeiter oder der Teamleiterin. Wenn Sie dieses Tagebuch – auf Papier oder digital – eine Zeit lang füllen, werden Sie voraussichtlich Änderungen feststellen. Sie werden allein durch Ihre intensive Beschäftigung mit dem Thema Akzeptanz diese mehr und mehr in Ihr Zuhörverhalten integrieren!
Hier ein Vorschlag, wie Ihr Akzeptanztagebuch aussehen könnte:
Datum | Uhrzeit | ||
Dialog mit: | |||
Meine Akzeptanzreaktion | |||
Ich habe komplett wertfrei bis zum Ende zugehört. | |||
Ich konnte nahezu wertfrei zuhören, ein paar Wertungen haben mich abgelenkt/beschäftigt. | |||
Mir sind meine Wertungen aufgefallen, diese waren im Gespräch präsent. | |||
Unmittelbar nach Schilderung der Probleme war ich im Wertungsmodus. | |||
Meine Wertungen zu meinem Gesprächspartner und seinem Thema haben bereits vor dem Gespräch begonnen und das weitere Gespräch geprägt. | |||
Hintergründe – Die Gründe für meine Wertungen in diesem Gespräch waren: | |||
Was will ich für das nächste Gespräch verändern? | |||
„Das größte Geschenk, dass du jemandem geben kannst, ist bedingungslose Liebe und Akzeptanz“, sagte der US-amerikanische Autor Brian Tracy. Das stimmt und – noch viel besser – Sie machen auch sich selbst damit ein riesiges Geschenk. Denn: Akzeptanz verbessert das Zuhören, besseres Zuhören verbessert die Kommunikation und bessere Kommunikation sorgt für mehr Erfolg und Zufriedenheit.
Wenn Sie nun wissen wollen, was hinter den anderen sechs Säulen einer guten Zuhörhaltung steckt: Das verrate ich Ihnen in meinem nächsten Blogbeitrag!